Deutschland ist eine offene und tolerante Gesellschaft. Das muss auch für die Zukunft so bleiben. Dafür reicht es jedoch nicht, Toleranz zu beschwören und den Ablauf demokratischer Entscheidungsprozesse technokratisch zu organisieren. Vielmehr muss wieder mehr über die Wurzeln unserer heutigen Gesellschaft gesprochen werden und alles getan werden, um diese Wurzeln lebendig zu halten.
Unsere Gesellschaft braucht ein Leitbild, das als Klammer alle zusammenhält. Ohne eine Leitkultur, ohne einen solchen gemeinsamen Fundus an Wertvorstellungen, würden die divergierenden Bestandteile unserer Gesellschaft auseinander fallen. Das können wir nicht zulassen. Wir müssen stattdessen dafür sorgen, dass sich die konstituierenden Grundüberzeugungen unserer Gesellschaft immer wieder erneuern und die Quellen, aus denen sie gespeist werden, nicht versiegen oder zugeschüttet werden. Sonst würde das gesellschaftliche Zusammenleben trotz eventuell sogar eindrucksvoller wirtschaftlicher Erfolge schnell brüchig. Entscheidend ist das zugrunde liegende Menschenbild.
Das Leitbild unserer Gesellschaft ist das christliche Menschenbild, dem sich insbesondere die CDU verpflichtet fühlt. Die CDU Siegen-Wittgenstein begrüßt die anstehende Überarbeitung des Grundsatzprogramms der CDU und erwartet, dass dabei klare Impulse gesetzt werden.
Das christliche Menschenbild ist Grundlage
Der entscheidende Bestandteil des christlichen Menschenbildes ist das Bekenntnis zur unantastbaren Würde eines jeden einzelnen Menschen. Als Geschöpf Gottes hat jeder Mensch den gleichen Wert, unabhängig von seiner individuellen Situation oder davon, welchen Nutzen er für andere hat. Gleichzeitig hat der Mensch die Freiheit, selbst sein Leben zu gestalten. Der Staat muss solche Rechte nicht gewähren, sondern nur anerkennen und garantieren. Deshalb ist für die CDU der Gottesbezug in der EU-Verfassung nach wie vor konstitutiv. Dieses Menschenbild ist auch eine klare Absage an jegliche Ideologie, die zu wissen vorgibt, was allein gut für Menschen sei. Das bedeutet auch, dass der Staat sich nicht als Problemlöser in allen Lebenslagen sehen darf, sondern Entfaltungsfreiheit ohne ständige Reglementierung ermöglichen muss. Solidarität wird gebraucht für diejenigen, deren Leben in Würde sonst gefährdet wäre. Ebenso ist Subsidiarität gefordert – auch der Benachteiligte und seine Familie müssen die Kraft zur Selbsthilfe entfalten, die nötig ist.
Dieses Bild vom Menschen entspricht christlicher Glaubensvorstellung, ist aber längst zum europäischen Menschenbild geworden und auch mit Mitteln menschlicher Vernunft für Christen und Nichtchristen nachvollziehbar. Die verfassungsmäßigen Grundrechte sind in Gesetz gegossenes christliches Menschenbild. Es muss in unserer Gesellschaft universell gelten und für uns jederzeit Maßstab politischen Handelns sein. Das gilt vor allem auch für den Beginn und das Ende des Lebens und das darf auch nicht für bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgesetzt sein.
Die Würde des Menschen beginnt nicht erst mit der Geburt. Das Experimentieren mit Embryonen und das damit verbundene Vernichten menschlichen Lebens darf auch künftig in Deutschland nicht legal sein. Präimplantationsdiagnostik würde Bewertung und Auswahl von menschlichem Leben bedeuten und kann von der CDU nicht akzeptiert werden. Auch mit den massenhaften Abtreibungen in unserem Land dürfen wir uns nicht abfinden. Die Wirksamkeit des Gesamt-Konzeptes zum Schutz des ungeborenen Lebens ist grundlegend und umfassend zu prüfen, um daraufhin gegebenenfalls auch gesetzliche Korrekturen vorzunehmen. Aktive Sterbehilfe darf es nicht geben: Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass dann alte Menschen schnell einen Erwartungsdruck zur Inanspruchnahme empfinden. Jedes Leben ist wertvoll, deshalb müssen stattdessen Sterbebegleitung und Hospizdienste weiter ausgebaut werden. Ebenso wenig können wir akzeptieren, dass in bestimmten Zuwanderermilieus Grundrechte vorenthalten und beispielsweise Zwangsehen geschlossen und die Gleichberechtigung der Frau missachtet werden. Solche Praktiken unter dem Deckmantel angeblich multikultureller Toleranz zu übersehen ist Gleichgültigkeit und gefährdet stattdessen Offenheit und Toleranz in unserem Land.
Aber auch für den normalen Alltag gilt es, die Würde des Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Jeder braucht einen Platz in der Gesellschaft, keiner darf sich überflüssig fühlen. Solidarität hält unsere Gesellschaft zusammen. Auch deshalb dürfen wir uns nicht mit der Arbeitslosigkeit abfinden, sondern müssen alles tun, was die wirtschaftliche Gesundung unseres Landes ermöglicht. Dafür wird mehr Freiheit gebraucht und das ist damit kein Gegensatz auch zu mehr Solidarität.
Platz und Anerkennung in der Gesellschaft dürfen aber keinesfalls nur vom etwaigen Erwerbseinkommen abhängig sein. Die Arbeit von Männern und Frauen in Familien braucht viel mehr Anerkennung und auch das Ehrenamt muss mehr gewürdigt werden. Das christliche Menschenbild gebietet es, jedem einzelnen Menschen mit seinen individuellen Eigenarten und Überzeugungen Achtung entgegenzubringen.
Gegenseitige Achtung bedeutet auch, religiöse Gefühle zu achten. Beleidigung und Entstellung religiöser Werte kann auch im Namen von Meinungs- und Kunstfreiheit nicht akzeptiert werden.
Familie stärken
Nirgends wird deutlicher, dass Freiheit und Verantwortung zusammengehören, als in der Familie. Freiheit bedeutet nicht Beliebigkeit, sondern auch die Freiheit, Bindungen einzugehen und verantwortlich damit umzugehen.
Familie ist da, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung übernehmen. Die CDU steht zum traditionellen Familienverbund mit der Ehe als dem Kern der Familie. Das ist in einer Zeit, in der 30 Prozent der Kinder außerhalb einer Ehe geboren werden, aber kein ausschließliches Modell und niemandem soll ein bestimmter Lebensentwurf vorgeschrieben werden. Die CDU sieht sich genauso in der Verantwortung für Alleinerziehende.
Zahlreiche Familien entschließen sich dazu, dass ein Elternteil zumindest vorübergehend keiner Erwerbsarbeit nachgeht, sondern sich der Kindererziehung widmet. Für die CDU ist wichtig, dass diese Möglichkeit als echte Wahlfreiheit besteht.
Andererseits eröffnet die wachsende Zahl gut und sehr gut ausgebildeter Frauen zunehmend gesellschaftlich auch notwendige Berufsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist es ganz sicher richtig, auch Vätern mehr die Möglichkeit zu geben, sich aktiv in die Familienarbeit einzubringen, die Familie zu gestalten und häusliche Arbeit zu übernehmen. Das bedingt einen Ausbau der beruflichen Möglichkeiten von Erziehenden, der nur mit politischer Hilfe ermöglicht werden kann. Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedingen verlässliche und möglichst individuelle Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und pflegebedürftige Angehörige sowie familiengerechte Arbeitsplätze.
Die CDU sieht es als ihre Aufgabe , zuverlässig politische Hilfestellung zu leisten, damit Familien intakt existieren können, es gilt, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, es kann nicht Ziel der CDU-Politik sein, Aufgaben abzunehmen. Es muss Ziel sein, konkrete Hilfen zu geben. Familie muss im Vordergrund politischen Handelns stehen. Familienförderung muss wieder oberste Priorität haben und auf Langfristigkeit ausgelegt sein. Die in der Familie geleistete Erziehungs- und Pflegearbeit muss der außer Haus verrichteten Erwerbsarbeit in Wertschätzung und Honorierung gleich gestellt sein.
Die CDU Siegen-Wittgenstein wird die Thematik in Arbeitskreisen intensiv behandeln und vertiefen.
Erziehung ist Elternrecht und Elternpflicht
Eindeutig ist: Wir brauchen neuen Mut zur Erziehung in Elternhaus und Schule. Wir brauchen Freude, Kindern unsere Zuwendung zu schenken. Wir brauchen Mut, Grenzen zu setzen, konkret Disziplin, Fleiß, Pünktlichkeit und Ordnung einzufordern, damit Kinder fähig werden, ihre Gaben verantwortlich und an der Gemeinschaft partizipierend einzusetzen. Erziehung in einer komplizierten Gesellschaft voller Werte- und Meinungsvielfalt ist eine schwierige, aber unerlässliche Aufgabe Erziehung auf dem geistigen Fundament der CDU bedeutet, dass jedes Kind von seinen Eltern angenommen werden muss als ein einmaliges Wesen mit seinen Vorzügen und Schwächen. Jedes Kind erfordert die persönliche Zuwendung seiner Eltern zur Entfaltung seiner Anlagen, ihr Vorbild und ihre schützende Autorität. In der Familie erfährt das Kind die Geborgenheit, die es befähigt, Gemeinschaftssinn und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum zu meinen, materielle Zuwendungen könnten die persönliche Zuwendung zu ihren Kindern ersetzen.
Der fundamentale Angriff auf die elterliche Autorität in den 60er und 70er Jahren und die propagierte "Wertefreiheit" als oberstes Prinzip in der öffentlichen Erziehung hat zu einer allgemeinen und tief greifenden Verunsicherung der Erziehenden beigetragen, die bis heute nicht überwunden ist.
Den verunsicherten Eltern und Erziehern, die nicht wissen, ob und wie sie Kindern Grenzen und Leitlinien setzen sollen, entsprechen orientierungslose junge Menschen. In der Zeit des Verschwindens traditioneller Familienstrukturen und durch Zunahme schwieriger sozialer Verhältnisse sind Kinder in ihrer hilflosen Suche nach Geborgenheit, Anerkennung, Identität und Lebenssinn ein leichtes Opfer der Verführung.
Auch die Erkenntnis, dass die Vermittlung von Lerninhalten in der Schule oft mangelhafte Ergebnisse bringt, muss uns aufmerksam machen auf die gestörte seelische Lage vieler Kinder. Ein normales, gesundes Kind will lernen und kann lernen. Kindern in seelischer Notlage helfen "Schulrankings" und Leistungsdruck wenig.
Kinder und Jugendliche brauchen ein Gerüst, um sich in der Vielfalt unserer Medien- und Wohlstandsgesellschaft mit ihrer fortschreitenden Individualisierung zurecht finden zu können. Daher muss auch der Erziehung in unserem Bildungssystem wieder ein deutlich höherer Stellenwert eingeräumt werden.
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